SGV Bezirk Siegerland e.V.

Nach der vernichtenden Niederlage des Deutschen Reiches und dem Verlust von mehr als 11 Millionen Soldaten war das Hauptaugenmerk der Bevölkerung auf das Überleben und den Wiederaufbau gerichtet. Das Vereinsleben kam nur ganz allmählich wieder in Schwung.

Am 3. August 1946 fand in Kreuztal auf Einladung des bisherigen Schriftführers Emil Reusch eine Versammlung statt, die von ihm zunächst nur als zwanglose Zusammenkunft gedacht war, um wieder mal etwas von den anderen Abteilungen zu hören. In seinem Schreiben an die Geschäftsstelle in Iserlohn führt er aus, dass die vorgesehene Kranzniederlegung in Betzdorf am Grabe des bei einem Bombenangriff ums Leben gekommene Bezirksführers Schneider, nicht erfolgen könne, da ohne Genehmigung ein Aufenthalt im französischen Gebiet nicht zulässig sei.

Zu dieser zwanglosen Zusammenkunft hatte er sämtliche Abteilungen (auch die im franz. Sektor: Kirchen, Wehbach etc.) rechtzeitig eingeladen, aber keine Antworten erhalten. Von den anwesenden Teilnehmern wird beklagt, dass Wilhelm Münker nicht anwesend sein kann.

Von den zwölf vertretenen Abteilungen sind nur zwei, nämlich Müsen und Dreis-Tiefenbach, im Besitz einer militärbehördlichen Genehmigung. Als das Thema Vorstandswahlen zur Sprache kommt, wird vom Vertreter der Abteilung Buschhütten angemerkt, der Bezirk könne nicht durch einen politisch vorbelasteten Vorsitzenden vertreten werden. Gemeint war, dass Reusch wegen seiner Parteizugehörigkeit aus dem Bankdienst ausgeschieden sei. Wie Reusch in seinem Brief aufführt, wurde er dann, nach erfolgter Aufklärung, auf Vorschlag des Wanderfreundes Menn aus Hilchenbach zum neuen Bezirksvorsitzenden gewählt.

Reusch war seit 1932 Schriftführer im geschäftsführenden Bezirksvorstand, damit Wegbegleiter von Otto Schneider während der NS-Zeit und, wie dieser, Mitglied der NSDAP. Die Wahl von Emil Reusch zum Bezirksvorsitzenden war daher immer wieder Anlass für Wilhelm Münker aus Hilchenbach in Briefen an den Hauptvorstand auf die seiner Meinung nach unhaltbare Situation hinzuweisen. Dennoch blieb Emil Reusch bis zu seinem frühen Tod im Jahre 1952 im Amt.

Emil Reusch Emil Reusch

Dem Jahresbericht 1946, der am 19. Februar 1947 von Emil Reusch erstellt wurde, ist zu entnehmen, dass dem Bezirk Siegerland 25 Abteilungen angehörten:
Anzhausen, Buschhütten, Dahlbruch, Deuz, Dreistiefenbach, Eckmannshausen, Eiserfeld, Eisern, Flammersbach, Freudenberg, Geisweid, Hilchenbach, Kirchen, Kredenbach/Lohe, Kreuztal/Ferndorf, Krombach, Littfeld, Müsen, Netphen, Niederschelden, Oberfischbach, Rudersdorf, Siegen, Weidenau und Wilnsdorf.

Der Bezirksvorstand besteht aus vier Personen:

Bezirksvorsitzender: Emil Reusch, Abt. Siegen, Achenbacher Str. 43 zugleich auch Schriftführer und Kassenwart
Volkstumswart: Richard Hohlfeld, Lehrer, Abt. Siegen, Gustav von Mevissenstr.
Obmann für Heimat- und Naturschutz: Ernst Hofmann, Rektor, Abt. Siegen, Schützenstraße 3
Jugendvertreter: Heinrich Jung, Abt. Weidenau

Der Kassenbestand am Jahresende 1946 betrug 240,- RM.

Als Aktivitäten des Bezirksvorsitzenden werden die Besuche der Abteilungen Netphen, Deuz, Dreis-Tiefenbach und Eckmannshausen aufgeführt. Außerdem wurden die Jubiläumsfeiern in Buschhütten, Dreis-Tiefenbach und Deuz besucht. Besprechungen wegen der Besetzung von Vorstandsämtern gab es mit den Abteilungen Eiserfeld und Freudenberg. Thema des Gespräches mit der Abteilung Littfeld war der Kindelsbergturm.

Ein Fest hat im Jahre 1946 anlässlich des 50-jährigen Bestehens nicht stattgefunden.

Weitere Schwerpunktthemen waren das Bezirkswegenetz, Pflanzungen und Quellenfassungen.

Im Jahre 1947 ist jetzt Rudolf Klein, Lehrer a.D. aus Siegen als Bezirkswander- und –wegewart weiteres Mitglied im Bezirksvorstand. Als Berufsbezeichnung gibt Emil Reusch jetzt Bankkaufmann an.

Mit der Abteilung Krombach wurden Gespräche in der Angelegenheit Kindelsberg geführt. Am 1. Juni 1947 fand ein Bezirksjugendtreffen auf der Waldesstille bei Unglinghausen mit ca. 1.200 Teilnehmern statt.

Im Jahresbericht 1947 werden die Abteilungen Freudenberg, Kirchen und Niederschelden in ihrer Zugehörigkeit zum Bezirk als zweifelhaft aufgeführt. Im Folgejahr 1948 kommt Oberfischbach hinzu.

Im Jahre 1949 wird das Amt des Volkstumswartes nicht mehr besetzt. Alle anderen Vorstandsämter bleiben unverändert. 1950 wird dann aber Dr. Lothar Irle aus Kreuztal zum Bezirksvolkstumswart gewählt. In der Auflistung der Abteilungen fehlt jetzt Niederschelden.

Dr. Lothar Irle

1950 fällt das auf dem Kindelsberg vorgesehene Treffen aus, da die Bauarbeiten noch nicht angefangen hatten, weil die notwendige Summe nicht zusammengekommen war. Vom Bezirksvorstand wird eine Spendensammlung initiiert.

Dr. Lothar Irle wird als Nachfolger des am 13. März 1952 im Amt verstorbenen Emil Reusch zum neuen Bezirksvorsitzenden gewählt.

Damit war die NS-Vergangenheit im Bezirksvorstand aber nicht abgestreift. Lothar Irle hatte an den Universitäten Marburg und Frankfurt am Main nordische und Deutsche Philologie, Geschichte und Volkskunde studiert. Bereits 1931 wurde er Mitglied der NSDAP.

Irle war unter anderem Gauschulungsredner der NSDAP und Mitglied der Reichslesebuchkommissionen Hessen und Ruhrgebiet. Nach seiner Promotion im Jahre 1934 verließ er den Schuldienst und war als Dozent für Volkskunde an der Hochschule für Lehrerbildung in Dortmund tätig. „Diesen steilen Aufstieg verdankte er dem Umstand, dass er sich als ‚Vorkämpfer für den Nationalsozialismus´ hervorgetan hatte“ (Siegener Zeitung). Ab 1938 war er im Gau Westfalen-Süd Gauführer des Nationalsozialistischen Deutschen Dozentenbundes. Irle war bekennender Antisemit.

Aufgrund seiner erheblichen NS-Belastung wurde er nach dem Krieg im Zuge der Entnazifizierung aus dem Schuldienst entlassen und nicht wieder eingestellt. Seither war er als Versicherungsvertreter tätig.

Auch Dr. Irle war für Wilhelm Münker, immerhin Namensgeber des SGV Jugendhofes in Arnsberg, als Bezirksvorsitzender nicht tragbar. Dies geht aus Briefen Münkers an den Hauptvorstand hervor.

Seitens des SGV wurde im Jahre 1963, also zur Amtszeit von Lothar Irle als Bezirksvorsitzender, ein Antrag zur Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an ihn gestellt. Dieser Antrag wurde abgelehnt. Der Vorgang ist bei der Kreisverwaltung Siegen-Wittgenstein archiviert. (Az. 032-20 1963 – 1965).

In die Amtszeit von Lothar Irle fällt die erstmalige Verpachtung der Raststätte Kindelsberg an die Krombacher Brauerei. Am 1. Januar 1962 übernimmt der Unterpächter Edelhoff die Raststätte.

Heinz und Marianne Engels Heinz und Marianne Engels

1969 wurde Heinz Engels aus Kreuztal-Fellinghausen zum neuen Bezirksvorsitzenden gewählt. Er war in zu diesem Zeitpunkt bereits zwei Jahre als Jugendwart Mitglied des Bezirksvorstandes. In Personalunion blieb er weiterhin Jugendwart bis zum Jahre 1973, als er in diesem Amt von Bernd Kraus abgelöst wurde. Während seiner Amtszeit wurde der Pachtvertrag mit der Deutschen Bundespost über die Antennenanlagen am Kindelsbergturm um 20 Jahre verlängert. Heinz Engels leitete den Bezirk Siegerland ehrenamtlich bis ins Jahr 1984, als er zum Geschäftsführer des Hauptvereins mit Sitz in Hagen ernannt wurde. Mit ihm ging auch seine Ehefrau Marianne nach Hagen, die ihn als Sekretärin tatkräftig unterstützte.

Die Amtszeit von Heinz Engels als Vorsitzender des Bezirks Siegerland war geprägt durch sein außergewöhnliches Engagement für seinen SGV. In seiner Abschiedsrede als scheidender Vorsitzender gab er einen umfassenden Rückblick auf 15 Jahre Vorstandsarbeit.

Dabei lag sein Schwerpunkt nicht nur auf dem Wanderangebot für Mitglieder und Bevölkerung, sondern auch auf dem Naturschutz. Hierbei erwähnt er im Besonderen die Stellungnahmen des SGV zur Autobahn A4, zu einer geplanten Straße im Geiersgrund und zum Kaufhaus Neckermann in der Siegener Oberstadt.

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