Die wechselvolle Geschichte eines Wandervereins im Kontext mit einer sich verändernden Gesellschaft.
Die Geschichte des SGV Bezirks Siegerland ist stets zu sehen im Zusammenhang mit der Geschichte des SGV Gesamtvereins, der über viele Jahre auch den Namen Centralverein oder Hauptverein trug. In seiner Gründungsversammlung am 5. Januar 1891 in Hagen wurde u.a. auch der von Ernst Ehmsen vorgelegte Satzungsentwurf diskutiert, der im §3 die Gründung von Abteilungen vorsah. Erst vier Jahre später, auf der Generalversammlung in Altenhundem wurde dann seitens des Zentralvorstandes vorgeschlagen, mehrere Abteilungen zu Bezirken zusammenzufassen.
Forstrat Ernst Ehmsen gilt als der Gründungsvater des „Sauerländischen Gebirgsvereins“. Er war es, der im Jahre 1890 Jahren den Startschuss gab für die Gründung eines Wandervereins im Sauerland. Geboren im schleswig-holsteinischen Rendsburg, das damals zu Dänemark gehörte, führte ihn sein Berufsweg u.a. in das Elsass, das damals zu Deutschland gehörte. Dort, im Elsass, hatte er die Gründung des „Vogesenvereins“ und dessen Aufschwung miterlebt.
Kaum im Sauerland angekommen, suchte er Mitstreiter für seine Idee, einen „Sauerländischen Touristenverein“ zu gründen, der das Land der tausend Berge als Wandergebiet erschließen sollte. Diesem Gründungsaufruf im Mai 1890 folgte ein donnerndes Echo. Noch im gleichen Jahr wurden 27 Abteilungen geründet. Und dieses Echo war auch im Siegerland zu vernehmen. Bereits 1892 wurden hier die ersten Abteilungen geründet. Dazu gehörten die Abteilung Siegen, mit ihren damaligen Gründungsvätern Dr. Sarrazin und Martin Roedig sowie Hilchenbach mit Richard Hüttenhain als Vorsitzender.
Das Sauerland war eigentlich bis zur Gründung eines eigenen Gebirgsvereins wenig bekannt, jedenfalls nur wenigen unter diesem Namen. Vielfach nannte man das Gebiet zwischen Ruhr und Lenne „Süderland“. Frühere Reiseschriftsteller haben dem Sauerland nie die ihm gebührende Aufmerksamkeit gewidmet.
Bei der ordentlichen Gründungsversammlung des Dachverbandes, also des SGV - Gesamtvereins, gab es bereits 44 Abteilungen mit 2.100 Mitgliedern und ein halbes Jahr später war schon fast die 3.000er Grenze erreicht. Neben Ernst Ehmsen ist vor allen Dingen auch der Arnsberger Gymnasiallehrer Karl Féaux de Lacroix als wichtiger „Spiritus Rektor“ der neuen Wanderbewegung zu nennen. Es gab viel zu tun, sollte die abseits der großen Verkehrslinien gelegene Region für den Tourismus erschlossen werden. Für das gesamte SGV-Land musste geworben werden. Wanderplakate und Übernachtungsverzeichnisse wurden gedruckt. Wanderwege mussten ausgewählt und markiert werden. Dafür sind seit mehr als 125 Jahren ehrenamtliche Wegemarkierer zuständig. Ihnen gebühren Lob und ein ganz herzliches Dankeschön.
Der SGV war im Jahre 1895 der erste Gebirgsverein, der eine Aufgliederung in Bezirksverbände vorsah. Um die Jahreswende 1894/95 wurden die Gedanken einer Bezirksbildung im Vorstand ernsthaft diskutiert. In der Aprilnummer des 3. Jahrganges des Gebirgsboten heißt es wörtlich:
Im gebirgigen Teile des Vereinsgebiets werden mehrere benachbarte Abteilungen zu einem größeren Verbande (Bezirk) vereinigt, an dessen Spitze ein Bezirksvorsitzender steht mit beratender Stimme im Zentralvorstande. Die nähere Ausführung dieser Organisation erfolgt durch den Zentralvorstand.
In der Jahreshauptversammlung in Altenhundem gab es dann eine lebhafte Diskussion dieses Vorschlags, der von einigen Delegierten vehement abgelehnt wurde. Dazu gehörte auch der Vorsitzende der Abteilung Hilchenbach, Richard Hüttenheim. Letztendlich wurde aber der Vorschlag des Zentralvorstandes mit 318 gegen 209 Stimmen angenommen.
Bis Mai 1896 waren 5 Bezirke endgültig gebildet: Volme, Oberruhr, Oberlenne, Mittellenne und Siegerland. Bis 1905 bildeten sich dann 3 weitere Bezirke: Mark, Astenberg und Obersiegerland/Wittgenstein. Hilchenbach bildete somit gemeinsam mit den Wittgensteiner Abteilungen einen eigenen Bezirk.
Bis ins Jahr 1915 hatten sich 13 Bezirksverbände etabliert. Unter der Nummer 10 wird der Bezirk Siegerland geführt mit dem Vorsitzenden, Juwelier Martin Rödig aus Siegen und seinem Stellvertreter, Lehrer A. Hellmann aus Eichen. Als Abteilungen im Bezirk Siegerland werden aufgeführt: Betzdorf, Deuz, Dielfen, Dreis-Tiefenbach, Eiserfeld, Eschenbach, Ferndorf, Freudenberg, Geisweid, Irmgarteichen, Kirchen, Krombach, Littfeld, Mudersbach, Müsen, Netphen, Niederfischbach, Setzen, Siegen, Weidenau und Wilnsdorf.
Der Bezirk Obersiegerland und Wittgenstein wird von dem Vorsitzenden, Oberlehrer Großmann aus Hilchenbach, geleitet. Sein Stellvertreter ist der Gerichtsassessor Bremme aus Berleburg. Die Abteilungen dieses Bezirks sind: Aue-Wingeshausen, Banfe, Berleburg, Erndtebrück, Hilchenbach, Laasphe und Schwarzenau.
Gründungsversammlung
Im Mai 1896 gehörte Siegerland zu den 5 Bezirken, die sich bis dahin gebildet hatten. Die Gründung des Verbandes verlief aber nicht ohne Widerspruch und war mit kontroversen Diskussionen unter lokalpatriotischen Gesichtspunkten verbunden. Treibende Kraft für die Gründung eines Bezirksverbandes war die SGV Abteilung Siegen. Ihr damaliger Vorsitzender, Amtsrichter Dr. Sarrazin, wendet sich mit Schreiben vom 1. März 1896 an den Hauptvorstand mit folgendem Wortlaut:
Der Vorsitzende des Sauerländischen Gebirgsvereins, Abtheilung Siegen.
Den Hauptvorstand benachrichtige ich ergebenst, daß unsere Generalversammlung sich gestern einstimmig für die Errichtung eines Bezirksverbandes ausgesprochen hat, welcher die bestehenden und sich noch in Zukunft bildenden Abtheilungen des Siegerlandes umfassen soll.
Die Grenzen dieser Abtheilungen, welche sich im Wesentlichen an die Grenzen der Ämter und Bürgermeistereien anlehnen müssen, greifen so sehr ineinander, daß sich in der weiteren Entwicklung zahlreiche, gemeinschaftliche Interessen ergeben werden.
Die bestehenden Abtheilungen des Siegerlandes sind folgende:
Siegen, Hilchenbach, Crombach, Burbach, Neunkirchen, Wilnsdorf und die seit 2 Tagen geründete Abtheilung Geisweid.
Von diesen Abtheilungen waren auf unserer Generalversammlung auf meine Einladung erschienen: Crombach, Burbach, Neunkirchen und Geisweid.
Ich habe den Eindruck erhalten, daß der frühere Widerstand einzelner Abtheilungen gegen die Errichtung eines Bezirksvorstandes im Siegerlande einen erheblichen Stoß erfahren hat und daß sich auf eine erneute Anfrage des Hauptvorstandes die Mehrzahl unserer Abtheilungen mit einem Bezirksverbande einverstanden erklären wird. Die zustimmenden Abtheilungen bitte ich, mit uns zu einem Verbande zusammenzulegen. Einem geeigneten Bezirks-Vorsitzenden wird es dann nicht schwer sein, die etwa noch widerstrebenden Abtheilungen zum Anschluß zu bewegen.Ich mache wiederholt darauf aufmerksam, daß es uns in den Augen der Einwohner von Siegen nur nützlich sein kann, einen Verband für das gesammte Siegerland zu haben. Unsere Mitgliederzahl hat im vergangenen Jahr nur um 25 zugenommen, während sie um das Vierfache hätte zunehmen können. Und unsere Einnahme aus der Stadt Siegen bleibt die Hauptsache.
Geben wir dem Lokalpatriotismus der Siegener in der angegebenen Weise nach, so nützen wir dem Ganzen. Deshalb halten ich und auch der Vorsitzende von Crombach es für ganz verfehlt, wenn Crombach dem Bezirke Olpe zugeteilt wird.
Nur wenige Tage später erhält Dr. Sarrazin das Antwortschreiben aus Arnsberg:
Auf den gefälligen Brief vom 1. des Monats theilen wir ergebenst mit, daß wir damit einverstanden sind, daß die Abtheilungen des Kreises Siegen zu einem Bezirksverbande vereinigt werden und haben wir dem Vorsitzenden der Abtheilung Attendorn dieses hinsichtlich der Abtheilung Crombach angezeigt……
Mit dem vorgenannten Schriftwechsel handelt es sich um die ältesten Dokumente, die im Zusammenhang mit der Gründung des SGV Bezirks Siegerland aufzufinden sind.
In den Lokalnachrichten der Siegener Zeitung wird am 9. April 1896 berichtet, dass am Vortage im Hotel zum Bahnhof (Huthsteiner) in Siegen die Gründungsversammlung des Bezirksverbandes Siegerland des Sauerländischen Gebirgsvereins stattgefunden habe.
Damit ist das Datum der Vereinsgründung der 08. April 1896. Gründungsmitglieder bei dieser Versammlung waren die Abteilungen Siegen, Krombach, Burbach und Wilnsdorf. Zum 1. Vorsitzenden wird der Königliche Baurat Gottlieb Kranold aus Siegen gewählt. Stellvertretender Vorsitzender wird Hermann Hambloch aus Krombach. Kranold ist es auch, der den Zentralvorstand schriftlich über den Verlauf der Versammlung informiert.
Baurat Gottlieb Kranold bleibt aber nur ein Jahr im Amt. Am 7. April 1897 wird Amtmann Günther Ernst aus Netphen zu seinem Nachfolger gewählt. Aber auch Ernst hat das Amt des Bezirksvorsitzenden nur ein Jahr lang inne. Er wechselt beruflich nach Langenfeld. Sein Nachfolger wird im Jahre 1898 Obergerichtssekretär Franz Schuster aus Siegen, der aber im Februar 1905 im Amt verstirbt.
Im darauf folgenden Monat, am 26. März 1905, wird der Juwelier Martin Roedig aus Siegen neuer Vorsitzender des SGV Bezirks Siegerland. Diese Funktion wird er bis zum Jahre 1920 innehaben.